Newsticker
Schlagzeilen, Meldungen und alles Wichtige
Die Nachrichten heute: Newsticker, Schlagzeilen und alles, was heute wichtig ist, im Überblick.
Zum Newsticker
  1. Home
  2. PS WELT
  3. Audi: Mit neuem Design will man endlich wieder auffallen

PS WELT Neues Design

Audi will endlich wieder auffallen

Mehr darf Marc Lichte noch nicht zeigen: Der Audi Q8 Concept wird erst im Januar in Detroit enthüllt Mehr darf Marc Lichte noch nicht zeigen: Der Audi Q8 Concept wird erst im Januar in Detroit enthüllt
Mehr darf Marc Lichte noch nicht zeigen: Der Audi Q8 Concept wird erst im Januar in Detroit enthüllt
Quelle: Bernhard Huber
Bei Audi waren die hausgemachten Probleme in letzter Zeit bedeutend auffälliger als die Autos. Chefdesigner Marc Lichte möchte das jetzt ändern – und künftig auf Schalter im Cockpit verzichten.

Der Weg nach oben ist beschwerlich. Zur Baustelle geht es durch zentimetertiefen Schlamm. Wachleute kontrollieren die schwere Tür, über die man in das unverputzte Treppenhaus gelangt. Eine spärlich beleuchtete Bautreppe führt in die zweite Etage.

Das neue Designcenter von Audi ist noch lange nicht fertig, aber Rohbau und Fassade stehen schon. Ab Herbst nächsten Jahres sollen hier über 400 Designer die vier Ringe des Konzernlogos wieder zum Strahlen bringen.

Die Designabteilung der Ingolstädter residiert künftig in einem imposanten sechsgeschossigen Gebäude, für das 3600 Tonnen Stahl, 25.500 Kubikmeter Beton und mehr als 5100 Quadratmeter Glasfassade verbaut wurden. Viel Licht, viel Platz für neue Kreativität.

Auf zwei Etagen sollen sich bald 20 Plattformen drehen, auf denen Fahrzeuge im Maßstab 1:1 bearbeitet werden können. „Wir arbeiten künftig fast nur noch in CAD“, erklärt Marc Lichte, Chefdesigner von Audi. „Nachts wird gefräst, morgens sehen wir dann das Resultat unserer Arbeit und können weitermachen.“

„Jedes neue Audi-Modell hat einen eigenen Charakter“

Einen Neuanfang hat seine Firma dringend nötig. Audi hat in letzter Zeit weniger mit seinen Autos für Gesprächsstoff gesorgt als durch seine Verwicklung in die Abgasaffäre und durch unglückliche Personalien. Marc Lichte soll dafür sorgen, dass sich das ändert.

Leicht hatte der 47-Jährige es bisher nicht in Ingolstadt. Mehr als zwei Jahre lang musste er dabei zusehen, wie die letzten Kreationen seines Vorgängers Wolfgang Egger vom Band liefen. Die jüngsten Baureihen des A4, des A5 oder des Q5 waren bereits verabschiedet, als der Designer im Februar 2014 seinen neuen Job antrat. Sie unterschieden sich optisch kaum von den entsprechenden Modellen der vorherigen Generation.

Marc Lichte - Audi-Chefdesigner
Marc Lichte, Chefdesigner bei Audi, im Rohbau des neuen Designcenters in Ingolstadt
Quelle: Bernhard Huber

Man könnte das derzeitige Audi-Design auch als langweilig bezeichnen, doch Marc Lichte findet dafür eine diplomatischere Formulierung: „Aus Sicht mancher Kunden fehlte unseren Modellen die nötige Differenzierung“, sagt er. „Das wird sich künftig ändern.“

Auf einem Bautisch, der mit gedämpften Licht illuminiert ist, zeigt er Skizzen von Autos, Kühlergrills und weiteren Designelementen. „Jedes neue Audi-Modell hat einen eigenen Charakter und bringt dies in seiner Formensprache zum Ausdruck – sowohl im Exterieur als auch im Interieur.“

Audi Q8 Concept – eine Kreuzung aus SUV und Sportcoupé

Was er damit meint, zeigt ein strahlend blaues Konzeptauto, das mitten auf der Baustelle des neuen Designzentrums steht und mit einer Plane bedeckt ist. Der Audi Q8 Concept ist eine mächtige Kreuzung aus SUV und Sportcoupé; der Hersteller will damit gegen den BMW X6 und das GLE Coupé von Mercedes antreten.

Anzeige

Im Januar 2017 wird der Wagen auf der North American International Autoshow in Detroit vorgestellt, und im Gegensatz zu vielversprechenden Gedankenspielen wie dem Audi Urban Future soll er auch gebaut werden. Lichte lässt uns einen Blick unter die Plane werfen. Die C-Säule des Q8 erinnert nicht von ungefähr an den Ur-Quattro von 1980: Sie soll den alten Sportsgeist der Marke heraufbeschwören.

Mit dem Audi Q8 Concept will der Hersteller gegen den BMW X6 und das GLE Coupé von Mercedes antreten
Mit dem Audi Q8 Concept will der Hersteller gegen den BMW X6 und das GLE Coupé von Mercedes antreten
Quelle: Audi

Lichtes Gesellenstück für Audi war der neue A8, der bereits im Sommer 2017 auf den Markt kommen wird. Schon vor seinem eigentlichen Wechsel von Volkswagen zur Premiumtochter zeichnete er eine Vision des neuen Topmodells, mit der er den Audi-Vorstand bei einer internen Präsentation in Barcelona begeistern konnte.

Gleich nach seinem Umzug nach Ingolstadt legte Marc Lichte neue Entwürfe für den A7 und den A6 nach. Im Herbst 2014 flossen seine Ideen für das dynamische Trio in der Studie Audi Prologue zusammen.

Das neue Bedienkonzept kommt ohne Schalter aus

Auch wenn der überdimensionale Kühlergrill erhalten bleibt, der 2004 zum Erkennungszeichen von Audi wurde, unterscheidet sich die neue Achter-Generation deutlich vom eher blassen Spitzenmodell der Gegenwart.

Auch hier hat der Chefdesigner die Quattro-Technik besser sichtbar gemacht. Das Aushängeschild der Marke wirkt insgesamt flacher und kraftvoller, von der Seite stechen insbesondere die stark konturierten Radläufe und die Betonung der horizontalen Linien ins Auge.

Audi Q8 Concept
Von der Seite stechen die stark konturierten Radläufe und die Betonung der horizontalen Linien ins Auge
Quelle: Audi

Neue Wege beschreitet Lichte auch bei der Gestaltung des Innenraums. Beim A8 und beim Q8 sind die Instrumente ebenso animiert wie die Bedieneinheiten in der Mittelkonsole. Das Platzangebot im Fonds ist üppiger geworden, Schalter gibt es nur noch für die Warnblinkanlage und die Einparkhilfe.

„Mit dem A8 führen wir ein komplett neues Bedienkonzept ein, das ohne Schalter auskommt“, sagt Lichte. „Alle weiteren Modelle werden diesem Grundprinzip folgen.“

Anzeige

Diese Virtualisierung des Cockpits unterstreicht, dass Lichte es als Teil seiner Aufgabe ansieht, das Design mit einer technischen Entwicklung in Einklang zu bringen, an deren Ende das selbstfahrende Auto steht. Dem Fahrer wird das Handling des Fahrzeugs in zunehmendem Maße abgenommen.

Bis Tempo 130 soll es bei Audi bald teilautonom vorwärtsgehen. Das Spitzenprodukt bereitet dabei den Weg für die kleineren Modelle. Mit der Einführung der Luxuslimousine startet Audi eine regelrechte Modelloffensive. Bis Anfang 2019 sollen A6, A7, Q6 und Q8 und die kleineren Fahrzeuge A1 und A3 folgen. Die Q-Modelle sollen sich dabei stärker als bisher von den Limousinen abheben.

Look der letzten drei VW-Golf-Generationen geprägt

Mittlerweile ist es dunkel geworden im Rohbau des Designzentrums, durch die unverkleideten Stahlstreben weht eisiger Wind. Marc Lichte, ein Autonarr durch und durch, scheint sich daran nicht zu stören; in Sekundenschnelle zeichnet er Konkurrenzmodelle auf ein paar Blätter, erläutert wortreich deren Vor- und Nachteile und hält immer wieder er Seitenansichten vom A8 und und vom A7 dagegen.

Schon als Kind hat Lichte, der in Arnsberg im Sauerland zur Welt kam, die Autos aus den Autozeitschriften nachgezeichnet, die in seinem Elternhaus herumlagen. Sein Talent wurde auf ungewöhnliche Weise gefördert.

Marc Lichte - Audi-Designer
Von klein auf ein Autonarr: Schon in seiner Kindheit zeichnete sich ab, dass Marc Lichte Talent besitzt
Quelle: Bernhard Huber

„Auf dem Heimweg von der Schule bin ich fast jeden Tag bei meinem Opa vorbeigegangen, der Künstler war und eine kleine Lampenmanufaktur besaß“, erinnert er sich. „Der hat mir jeden Tag etwas beigebracht – vom Freihandzeichnen bis hin zum Aquarellmalen.“

Bereits während seines Designstudiums an der Hochschule Pforzheim fing Lichte an, für Volkswagen zu arbeiten, wo er rasch zum Leiter des Exterieur-Designs aufstieg und den Look der letzten drei Generationen des VW Golf prägte.

Probleme bei Audi schon vor dem Dieselskandal

Eine treibende Kraft wie ihn können sie bei Audi derzeit gut gebrauchen, denn in vielen Abteilungen des Unternehmens herrscht noch immer Schockstarre. Wichtige Entscheidungen wurden auf die lange Bank geschoben, vielversprechende Projekte eingefroren oder abgesägt, um Gelder für die Strafzahlungen des VW-Konzerns lockerzumachen. Wichtige Entwicklungsaufgaben mussten an Porsche und Volkswagen abgegeben werden.

Die schweren Zeiten an der Donau begannen aber nicht erst mit dem Dieselskandal vor einem Jahr. Unruhe kam bereits im Herbst 2012 auf, als der frühere Bentley-Chef Wolfgang Dürheimer nach Jahren der Lethargie wieder mehr Bewegung in die Entwicklungsabteilung von Audi bringen sollte.

Viele Ingenieure stellten sich quer, nach nicht einmal einem Jahr kehrte Dürheimer zurück zu Bentley und übernahm zugleich die Führung der Supersportwagenschmiede Bugatti. Auf ihn folgte der aus Wolfsburg entsandte und mit allen Freiheiten ausgestattete Ulrich Hackenberg, der aber ebenso über den Dieselskandal stolperte wie wenig später sein Nachfolger Stefan Knirsch, der zwischenzeitlich bei Daimler angeheuert hatte und zu Audi zurückgeholt worden war.

Bei der Elektromobilität der Konkurrenz hinterher

Der neue Entwicklungsvorstand Peter Mertens steht nun vor großen Herausforderungen. Bei seinem ehemaligen Arbeitgeber Volvo setzte der promovierte Ingenieur auch bei Topmodellen konsequent auf Vierzylinder und Downsizing und verschloss sich damit in den oberen Segmenten einige Türen. Mit einer Marke wie Audi wird das allerdings nicht machbar sein.

Zudem droht der langjährige Fokus auf Plug-in-Hybride zum Bremsklotz zu werden, da sinkende Akkupreise und größere Reichweiten die ebenso schwere wie kostenintensive Kombination aus Elektromotor und Verbrenner schon bald obsolet machen könnten.

In Sachen Elektromobilität fährt man der Konkurrenz hinterher. Ob der für 2018 angekündigte Q6 e-tron zum Erfolg werden kann, darf zumindest bezweifelt werden, da er preislich über dem luxuriösen Q7 angesiedelt ist.

Marc Lichte wird auch für die Sportwagen kämpfen

Auf Druck der Konzernmutter überdenkt Audi daher derzeit sein komplettes Modell- und Motorenportfolio. Der wenig erfolgreiche Imageträger R8, der seinen Vorgängerversionen ebenso zum Verwechseln ähnlich sieht wie die Volumenmodelle, dürfte dabei ebenso zur Diskussion stehen wie der Audi TT, dessen Produktion sich nur dann lohnen kann, wenn es im Konzern ein Schwestermodell gibt. Ihr Rennsportengagement haben die Ingolstädter bereits deutlich zurückgefahren.

Immerhin zeichnet sich ab, dass die neuen Audi-Modelle auf den Straßen wieder stärker ins Auge fallen werden. Nachdem er sich die Limousinen und die SUVs bereits vorgeknöpft hat, wird Marc Lichte auch für die Sportwagen kämpfen.

„Geschwindigkeit und Dynamik begeistern mich seit meiner Kindheit“, sagt er. In seiner Garage steht unter anderem ein Porsche 911 T aus dem Jahr 1969 – seinem Geburtsjahr.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema