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Russische Luxuskarosse Aurus Senat Putins Prachtschiff

Was sieht aus wie ein Rolls-Royce, kommt aber aus Russland? Die neue Staatskarosse Aurus. Konstruiert auf Geheiß Wladimir Putins, soll sie nun den Weltmarkt erobern - auch dank deutscher Technik.

Fährste quer, siehste mehr - diese alte Weisheit aus dem Rallyesport lässt sich auch auf Staatsoberhäupter abwandeln: Fährste schwer, biste wer. Die große, luxuriöse Repräsentationslimousine, idealerweise aus landeseigener Produktion, ist das perfekte Statussymbol. Entsprechend fährt die Queen im Bentley vor, Präsident Trump lässt sich im "Beast" von Cadillac und Chinas Premierminister Xi Jinping im Hongqi chauffieren. Nur Wladimir Putin, russisches Staatsoberhaupt und stets um Aufsehen erregende Auftritte bemüht, war in dieser Hinsicht bislang blank.

Die russischen Staatskarossen der Marke Zil sind längst Geschichte. Deswegen musste sich Putin bis dato in einer gestreckten Mercedes S-Klasse Pullmann über den Roten Platz kutschieren lassen. Die Schwaben freute das, denn so bekam deren Top-Modell regelmäßig TV-Präsenz.

Seit ein paar Monaten nun hat aber auch Putin sein eigenes Show-Car. Er sitzt in einem sieben Meter langen Senat, der vom russischen Institut für Fahrzeugtechnik entwickelt und von einer Firma namens Aurus gebaut wurde.

Aurus als Alternative zu britischen und deutschen Karossen

Bislang galt der Luxusliner als patriotisches Prestigeprojekt mit eher regionaler Bedeutung. Doch jetzt zeigt die Marke auf dem Autosalon in Genf ganz andere Ambitionen. "Wir sehen uns als globale Alternative zu Bentley, Rolls-Royce oder Maybach und wollen uns deshalb auch im Rest der Welt etablieren", sagt Franz Gerhard Hilgert. Er hat jahrelang für Daimler in Russland gearbeitet und dann verschiedene russische Hersteller beraten, war eigentlich schon im Ruhestand. Jetzt wurde er zum Chef der neuen Firma Aurus berufen.

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Aurus Senat: Luxus auf Russisch

Foto: Tom Grünweg

Mit dem Geld eines Investmentfonds aus Abu Dhabi bereitet er nun den internationalen Start für Aurus vor. Die ersten zwei Flagship-Stores in Moskau sind schon eröffnet, im fernen Tartastan stampft er eine Produktion für jährlich 5000 Autos aus dem Boden. Zudem sucht Hilgert rund um den Globus Händler oder Agenten, die in knapp zwei Jahren mit dem Verkauf seiner Nobelfahrzeuge beginnen sollen.

Porsche-Technik unter der Haube

Der erste Wagen der neuen Marke ist die Limousine Senat, die Hilgert in zwei Varianten verkauft: als 600er im Format der langen S-Klasse oder als 700er mit Pullman-Dimensionen und serienmäßiger Sonderschutz-Ausstattung. Dann ist der Luxusliner 6,63 Meter lang und bietet bei 4,30 Metern Radstand Platz für zwei Liegesessel wie im First-Class-Flieger sowie zwei kleine Sessel für dienstbare Geister, die entgegen der Fahrtrichtung reisen. Die Trennscheibe ist dann ebenso obligatorisch wie das armdicke Panzerglas in den zentnerschweren Türen.

Unter der Haube steckt bei beiden Varianten ein von Porsche für die Russen entwickelter V8-Hybrid, der aus 4,4 Litern Hubraum auf eine Leistung von 600 PS kommt und mit bis zu 880 Nm Drehmoment zu Werke geht. Das reicht, um den Koloss in bestenfalls sechs Sekunden auf Tempo 100 zu prügeln und mit 250 Kilometern pro Stunde über die linke Spur zu fliegen.

Teurer als ein Mercedes, billiger als ein Rolls-Royce

Verbindliche Marktpreise will Hilgert noch nicht verraten, aber er gibt in Genf zumindest schon einen groben Anhaltspunkt. "Knapp über Mercedes, aber weit unter Rolls-Royce", beschreibt er die Positionierung. Naturgemäß bietet die Extraliste reichlich Möglichkeiten, Geld loszuwerden. Die voll ausgestattete Langversion mit der serienmäßigen Panzerung, Bordbar, Massagesesseln und Flachbildschirmen dürfte gut und gerne eine Million kosten. Hilgert will es im Übrigen nicht bei der Limousine belassen: Künftig soll es auch einen Super-SUV geben sowie einen Luxus-Van. Außerdem überlegt Hilgert, ob ein Cabrio und ein Coupé nicht ebenfalls gut für das Image der Marke wären.

Keine schlechte Idee, denn das Image ist bei diesem Unterfangen ein zentraler Knackpunkt. "Bislang ist die russische Fahrzeugindustrie nicht für hohe Qualitätsstandards und luxuriöse Modelle bekannt, eher für das Gegenteil", sagt Jan Burgard vom Münchner Strategieberater Berylls. Es sei deswegen ein geschickter Schachzug von Aurus, einen hochrangigen Daimler-Manager wie Hilgert zu verpflichten und westliche Entwicklungspartner wie Porsche ins Boot zu holen.

Aber ob das reicht? "Spitzenqualität im Automobilbau erfordert vielfältige Fähigkeiten. Die Frage ist, ob diese Kenntnisse und Fähigkeiten in den Reihen der Aurus-Mannschaft vorhanden sind", orakelt Burgard.

Wer sich abheben will, soll Aurus fahren

Hilgert weiß natürlich um die Skepsis, die einer neuen Marke in dieser Liga entgegenschlägt. Aber er weiß auch, was den Erfolg von Rolls-Royce und Bentley ausmacht: "Die Exklusivität." Und genau darin sieht er seine Chance. Wenn in einer Londoner Villengegend schon ein Dutzend Bentleys fahren, kauft der eine oder andere Oligarch vielleicht einen Aurus, um sich abzuheben. Das zumindest ist die Hoffnung des Firmenchefs.

Allerdings ist auch die Strategie der Exklusivität kein Selbstgänger. "Derzeit kämpfen selbst Marken mit bedeutender Historie und treuer Fangemeinde gegen rückläufige Verkaufszahlen und geringe Margen. Und die jüngere Geschichte zeigt, dass selbst große Namen wie Maybach kein Garant für eine Erfolgsstory sind", gibt Burgard zu bedenken. Da brauche es mehr als einen Präsidenten Putin als prominenten Werbeträger. "Das geht nur mit geduldigen Geldgebern und einem sehr langen Atem."

Aurus soll russische Autoindustrie aufpäppeln

Vor diesem Hintergrund lohnt ein etwas anderer Blick auf das Projekt. Den kann Hilgert bieten: Er sagt, es gehe bei Aurus nur vordergründig um ein Prestigevorhaben. In Wahrheit sei es ein groß angelegtes Förderprogramm für die russische Autoindustrie. Die ist mittlerweile entweder von ausländischen Konzernen aufgekauft oder hoffnungslos abgehängt. Deswegen hat der Kreml der Branche eine Rettung verordnet und dafür eine universelle Plattform mit moderner Technik und sauberen Antrieben ausgeschrieben, die jeder Hersteller nutzen kann, erläutert Hilgert.

Entwickelt vom staatlichen Institut für Kraftfahrzeugtechnik und internationalen Dienstleistern wie Porsche Engineering, ist dabei ein flexibler Baukasten herausgekommen, der von der Kompakt- bis zur Luxusklasse reicht und vom Vier- bis zum Zwölfzylinder mit und ohne Hybrid alles abdeckt. "Und weil man in der Automobilindustrie Innovationen in der Regel von oben nach unten durchreicht, nutzen wir diese Plattform nun eben als erste für die Oberklasse."