Der Auto-Discounter aus Russland

Staunen Sie in letzter Zeit über die vielen Discounter, die überall schneller sprießen, als Pilze aus dem Boden schießen? Gestern Lidl, heute Norma, morgen Plus. Über zu geringe Kaufkraft klagt keines dieser Unternehmen. Nicht selten wird schon eine Stunde vor Öffnung um die besten Startplätze gekämpft – nur so erwischt man später die Schnäppchen. Billig kommt an, Qualität interessiert nur sekundär.

Bei den Autos kommt der günstigste Discounter aus Russland. Nur Lada verkauft einen Kompakten zum Preis eines koreanischen Kleinwagens. Ein verlockendes Angebot, oder etwa nicht? automobil TESTS machte die Probe und fuhr den Kombi 111 bei Sonne und Schnee, über Autobahn und Alpen, zwischen Norderstedt und Nürnberg – ein ganzes Jahr lang. Das eine schon vorweg: Mehr Unterhaltung bot in den vergangenen zehn Jahren keiner unserer Dauertester.

Schon nach einem Monat war Auftakt für das Kombi-Kabarett der Kuriositäten. Bei noch nicht mal 5000 Kilometern versagten die Scheibenwischer ihren Dienst. Nur im Blindflug ging es bis zur Werkstatt. Als Ursache wurde eine lockere Steckverbindung diagnostiziert – offensichtlich ein Problem der laxen Fertigung. Rund 8000 Kilometer später verkeilten sich die Scheibenwischer. Eine Befestigungsschraube hatte sich gelöst und die beiden Kollegen auf Kollisionskurs gebracht. Nicht der letzte Ärger, den wir gern weggewischt hätten.

Extrem genügsamer Motor

Sieben Monate danach brach die Befestigung für das Wischerblatt und musste erneuert werden. Danach funktionierte die Reinigung bis zum Ende tadellos. Doch anscheinend haderte die Frontscheibe mit der guten Qualität des ersetzten Wischers von SWF. Jedenfalls mehrten sich tiefe Kratzer in der Scheibe auf der Fahrerseite. Ursache: weiches Glas.

An deutscher Produktionsqualität können Sie den 111 sowieso nicht messen. In den Trennfugen der Karosserie verschwinden problemlos Kinderhände, der Kunststoff im Inneren scheint nach einer Rezeptur aus den Siebzigern gemixt, und die Lackierung des Testwagens in schickem Snow-Queen-Silber hätten Sie nach drei Versuchen auch nicht schlechter hinbekommen. Lada-Käufer wissen das und schätzen dafür anderes.

Im Falle des Motors nicht zu Unrecht. Der getestete 1,5-Liter-Vierzylinder mit vier Ventilen pro Brennraum leistet 91 PS und gönnt sich selbst dafür wenig. Auf der Verbrauchsrunde flossen durchschnittlich 7,2 Liter Super alle 100 Kilometer durch die Leitungen. Mit Zurückhaltung sind Werte von 6,5 Litern möglich. Wählen Sie deshalb diesen Motor, wenn Sie sich für Lada entscheiden. Damit ersparen Sie sich nämlich auch das aufwändige und teurere Einstellen des Ventilspiels beim Kundendienst.

Großer Auftritt bei der Formel 1

Dass der 111 am Ende des Dauertestes deutlich zügiger auf Tempo 100 beschleunigte, mag wohl an der Tatsache der vielen absolvierten Autobahn-Kilometer liegen. Jedenfalls verbesserte er seine Zeit von 12,6 auf 12,1 Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit blieb unverändert: echte 185 km/h. Im Geräusch entspricht das ungefähr einer wilden Horde von Schnäppchen-Jägern, auf dem Tacho über Tempo 200. Das gibt genügend Selbstbewusstsein, um auf die linke Spur der Autobahn zu wechseln. Genau zwischen die hungrig lauernde Meute der Vertreter-Variant und Dreier-Drängler.

Wer mit einer nervös blinkenden Lichthupe, viel zu geringem Abstand und dem linken Blinker rechnet, wird enttäuscht. Fast andächtig kehrt Ruhe in die linke Spur ein, jeder Überholvorgang kann mit Würde beendet werden. Der Lada scheint Immunität zu genießen. Den wohl größten Auftritt in seiner Testwagenkarriere hatte er jedoch nicht auf der Autobahn, sondern im vergangenen Jahr am Nürburgring. Auf dem VIP-Parkplatz des Formel-1-Rennens galt die Aufmerksamkeit der Besucher nicht den italienischen oder süddeutschen Sportwagen, sondern dem Kombi.

Fleißig Kilometer sammelte der Lada nicht nur auf dem Weg in die Eifel. Quer durch die Republik führte sein Dienstweg. Fahrer-Ritual vor langen Strecken: kurz ins Internet, um Wetter und Temperaturen zu kontrollieren. Klimaanlage ist nicht, und so muss die Bekleidung mit Bedacht gewählt werden. Dabei war die Jahreszeit egal. Im Sommer brachte zwar das Hubdach (358 Euro) kühlere Luft in den Innenraum, unterdrückte damit aber jegliche Unterhaltung.

Wartung und Reparaturen

Im Winter war es kaum einfacher. Zwar verfügt der Lada serienmäßig über eine automatische Regulierung der Heizungstemperatur, doch wirklich reibungslos funktionierte die nie. Auf Grillhaxen folgten Frostbeulen. Wenigstens war der 111 aufgrund von Garantie und Kulanz nicht kostspielig. Der niedrige Kraftstoff- sowie der extrem niedrige Ölverbrauch (ein Liter pro 12.831 Kilometer) trugen dazu bei. Von den Experten der Dekra wurde zudem am Testende ein Marktwert von 5250 Euro kalkuliert. Ob diese Summe zu bekommen ist, bleibt fraglich. Vor allem der subjektive Gesamtzustand mindert den Preis.

Nach einem Jahr und knapp mehr als 30.000 Kilometern hat der 111 zwar dreimal so viele Kilometer gesammelt wie sonst der Durchschnitt, wirkt aber, als hätte er eine zehnmal höhere Laufleistung. Lose Kabel im Armaturenbrett scheppern, die Vorderachse poltert und der Heckscheibenwischer leuchtet Rostrot.

Technische Daten und Fazit

Warum also einen Lada kaufen? Einen billigeren Kombi finden Sie nicht, zumal mit drei Jahren Garantie. Mit zehn Werkstattaufenthalten, wie in unserem Fall, erweitern Sie außerdem Ihren Bekanntenkreis zumindest um einige Kfz-Mechaniker. Oder Sie sehen es wie ein Kollege, der ins Fahrtenbuch schrieb: "Ein Lada ist eines der letzten Abenteuer. Er gibt sich dir nicht einfach hin, er will jeden Tag aufs Neue erobert werden."

Fazit Kia und Co werden besser und teurer. Das schafft Platz für den Lada. Die Basis ist oft nicht schlecht, doch es muss viel getan werden. Damit sind nicht nur die Spaltmaße gemeint. Also lieber den gepflegten japanischen Gebrauchten suchen. Die Mühe lohnt auf jeden Fall.